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Akute Virushepatitis

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Akute Virushepatitis

Die akute Virushepatitis ist eine akute Infektionskrankheit verursacht durch das Hepatitis-Virus A bis E. Sie ist weltweit verbreitet. In der Klinik sind die verschiedenen Formen nur schwer voneinander unterscheidbar. Die einzelnen Hepatitisformen differenzieren sich in der Schwere und der Dauer der Erkrankung. Es entzündet sich dabei das Leberparenchym. Dadurch kann es bei allen Formen zu einer Schädigung und Zerstörung der Leberzellen (Hepatozyten) kommen. Es bilden sich dann Leberzellnekrosen. Die Funktion der Leber ist damit beeinträchtigt. Manchmal treten aber auch gar keine Symptome auf. Ein akute Virushepatitis tritt plötzlich auf und heilt meist nach einigen Wochen wieder ab. Sie kann aber sich Chronifizieren oder früh in einer Leberzirrhose enden. Die Behandlung richtet sich also nach den Ursachen und dem Schweregrad der Erkrankung.

Leitmerkmale: uncharakteristische Symptome am Anfang
Später: Ikterus, Juckreiz, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, subfebrile Temperaturen
Definition Bei der akuten Virushepatitis handelt es sich um eine schnell auftretende Entzündung der Leber verursacht durch Viren

Pathogenese Durch verschiedene Ursachen kommt es zu einer Schädigung und Zerstörung der Leberzellen (Hepatozyten), wobei sich die verschiedenen Hepatitisformen nur in der Schwere und der Dauer der Erkrankung unterscheiden. Durch das Absterben der Leberzellen kommt es zu einer Freisetzung von Proteinen und Enzymen (ansteigen der Lebertransaminasen) und zu einer Einschränkung von Stoffwechselfunktionen (Blutgerinnung, Glykogen, Gallensäure, Ammoniak). Untergegangenes Lebergewebe wird durch Fibrose ersetzt. Am Ende steht die Leberzirrhose

Erreger
  • Hepatitis Virus A bis E
Ausbreitung
  • A-C weltweit, D: Mittelmeer, Amerika, Drogensüchtige
Hepatitis A
(Hepatitis epidemica)
  • Vorkommen: ubiquitär, häufigste Hepatitisform in Deutschland, vor allem aber im Mittelmeerraum, 55% aller akuten Virushepatiden
  • Übertragung:
    • fäkal-oral durch verunreinigtes Trinkwasser
    • Kontakt-/ Schmierinfektion: Stuhl (selten: Blut)
    • Nahrungsmittel
    • weiterhin durch ungenügend gekochte Meeresfrüchte (Austern, Muscheln)
    • v.a. Kinder und Jugendliche betroffen

  • Inkubationszeit: 15–50 Tage
  • Verlauf: insbesondere bei Kindern entweder mild oder asymptomatisch (70%), Infektiosität: 1 bis 2 Wochen vor Ausbruch bis 1Woche danach, meist ohne Komplikationen; Heilung nach ca. 1-3 Monaten, selten chronisch
  • Labor: IgM erhöht (1 Monat bis 1 Jahr), IgG erhöht (lebenslang), HAV-Antigen erhöht (2.-7. Woche), Eisen erhöht, Kupfer erhöht, Gamma-GT erhöht, AP erhöht
  • Differentialdiagnose: akute Alkoholhepatitis, akute Stauungsleber, medikamentöser/ toxischer Leberschaden
  • Impfung: aktiv und passiv
  • Prognose: heilt meistens nach 4-8 Wochen vollständig aus, lebenslange Immunität
  • Besonderheiten
    • RNA-Enterovirus
    • während der Inkubationszeit bereits infektiös (Viren im Stuhl)
    • heilt vollständig aus, Patienten bleiben keine Virusträger (Carrier)
    • lebenslange Immunität
    • kein Übergang zur chronischen Hepatitis
    • kein Zirrhose- oder Karzinom-Risiko
Hepatitis B
(Serumhepatitis,
Transfusionshepatitis)
  • Vorkommen: ubiquitär, 2. häufigste viral bedingte Hepatitisform in Deutschland
  • Übertragung:
    • parenteral (unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes):  durch Bluttransfusionen, unsterile Spritzen
    • sexuell: Geschlechtsverkehr (der Virus kann im Speichel, Schweiß, Urin, Sperma nachgewiesen werden)
    • perkutan: durch kleinste Hautverletzungen (tritt über kleinste Wunden ein)
    • perinatale/postnatal: während der Geburt von der Mutter auf das Kind (hochinfektiös)

  • Inkubationszeit: 30 – 180 Tage
  • Verlauf: 65% asymptomatischer Verlauf, heilt in fast 90% der Fälle nach einigen Wochen (bis maximal 4-5 Monaten) aus, in 10% chronischer Verlauf, gelegentlich kommt es zum schweren Krankheitsbild bis hin zum Leberkoma und Tod, gesunde Ausscheider
  • Labor: HBs-Ag erhöht, HBe-Ag erhöht (in der Frühphase), HBV-DNA erhöht (akut: Anti-HBc-IgM erhöht, HBs-AG erhöht; hohes Infektionsrisiko: HABE-AG erhöht, Ende der akuten Infektion: Anti-HBe erhöht)
  • Differentialdiagnose: Alkoholhepatitis, bakterielle Infektion (Brucellen), Morbus Wilson, Hämochromatose, Herpes, Mononukleose
  • Impfung: aktiv und passiv; Risikogruppen! (Klinikpersonal, prostituierte, Drogenabhängige und Berufe/Institutionen, die mit diesen Gruppen arbeiten); schützt auch gegen Hepatitis D
  • Besonderheiten:
    • DNA-Virus
    • 10% bleiben Virusträger (Carrier)
    • Übergang zur chronischen Hepatitis ist möglich
    • Zirrhose- und Karzinom-Risiko
    • kann zu Hepatitis D mutieren
Hepatitis C
  • Vorkommen: ubiquitär
  • Übertragung: wie Hepatitis B (parenteral, perinatal, sexuell)
  • Inkubationszeit: 15 – 180 Tage
  • Verlauf: 90 % asymptomatisch, wenn Ausbruch, dann aber 80% Übergang in eine chronische Verlaufsform; meist langsam fortschreitend, nach 10-20 Jahren hat sich bei ca. 20% der Patienten eine Leberzirrhose entwickelt, gesunde Ausscheider
  • Labor: HCV-RNA erhöht (1-2 Wochen nach Infektion, verschwindet nach der Ausheilung), Lebertransaminasen
  • Komplikationen: aplastische Anämie, Agranulozytose, periphere Neuropathie
  • Therapie: Alpha-Interferon über 24 Wochen
  • Impfung: keine
  • Besonderheiten:
    • RNA-Virus
    • 10% bleiben Virusträger (Carrier)
    • Übergang zur chronischen Hepatitis ist möglich
    • Zirrhose- und Karzinom-Risiko
    • schlechte Prognose
Hepatitis D
  • Vorkommen: ubiquitär
  • Übertragung: das Hepatitis-D-Virus ist an das Vorhandensein des Hepatitis-B-Virus gebunden und wird wie dieses übertragen (parenteral, perinatal, seltener sexuell), Risikogruppen (Bluter, Drogenabhängige)
  • Inkubationszeit: 30 – 180 Tage
  • Verlauf: kommt nur als Sekundärinfektion bei chronischen Hepatitis-B-Trägern vor, besonders schweres Krankheitsbild, verläuft meist chronisch mit Übergang in eine Zirrhose
  • Labor: HDV-Ag erhöht, Anti-HDV-IgM/-IgG erhöht, HDV-RNA erhöht
  • Impfung: aktiv und passiv
  • Besonderheiten:
    • das Hepatitis D-Virus ist an das Vorhandensein des Hepatitis B-Virus gebunden, d.h. Hepatitis D entsteht nur aufgrund von Hepatitis B
    • Übergang zur chronischen Form wahrscheinlich
    • Zirrhose- und Karzinom-Risiko
Hepatitis E
  • Vorkommen: Zentralasien, Afrika, Mexiko („Urlaubskrankheit“)
  • Übertragung: fäkal-oral, v.a. verunreinigtes Trinkwasser
  • Inkubationszeit: 15 – 60 Tage
  • Verlauf: meist mild, wird nicht chronisch; 90% heilen aus (nach 4-5 Monaten), in 10% der Fälle fulminanter Verlauf mit tödlichem Ende
  • Labor: Anti-HEV-IgM erhöht
  • Besonderheiten:
    • RNA-Virus
Hepatitis F
  • Vorkommen: Indien
  • Ansteckung: fäkal-oral
Ursachen
  • Viren: Hepatitisviren A-E, Poliomyelitis, Herpes, HIV, Röteln, Mononukleose, Zytomegalie
  • Bakterien: Salmonellen, Pneumokokken, Brucellen, Lues, Leptospiren
  • Pilze, Parasiten (Würmer, Amöben)
  • Transplantationszwischenfälle
  • toxisch: Alkohol, Medikamente (Paracetamol), Chemikalien
  • Allgemeinerkrankungen: Autoimmunerkrankungen, Morbus Wilson, Hämochromatose, Fettleber
Symptome Ein zweigipfliger Fieberverlauf zwischen der anikterischen und ikterischen Phase ist bei allen Formen der Hepatitis möglich.

  • Prodromalstadium (2-7 Tage, uncharakteristisch):
    • grippeähnliche Symptome: subfebrile Temperaturen, Schwäche, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Schwindel, Muskel-/ Gelenkschmerzen, Leistungsminderung, Müdigkeit
    • gastrointestinale Symptome: Appetitlosigkeit, Übelkeit, Völlegefühl, Ekel vor fettigen Speisen/Alkohol/Nikotin, Druckschmerz im rechten Oberbauch, Diarrhoe, Obstipation, Juckreiz
    • rheumatische Symptome: Gelenk- /Muskelschmerzen

  • Ikterisches (hepatisches) Stadium (2-8 Wochen), je intensiver der Ikterus (Gelbsucht), desto schwerer die Erkrankung, 60 % der Erkrankungen verlaufen ohne Ikterus (anikterisch)
    • Allgemeinsymptome (Besserung der Beschwerden): allgemeines Krankheitsgefühl und Bauchschmerzen bessern sich meist mit Beginn des Ikterus, Normalisierung der Temperatur
    • Bilirubinerhöhung: Gelbfärbung der Skleren, Dunkelfärbung des Urins (bierbraun) mit gelbem Schaum, Entfärbung des Stuhles (lehmfarben)
    • dermal: Pruritus (Juckreiz durch Anstieg der Gallensäuren), Lymphknotenschwellung, flüchtiges Exanthem, Ikterus
    • Leber/Milz: Vergrößerung (Hepatosplenomegalie), druckempfindlich, kann brückenbildende Leberzellnekrosen zeigen

  • Postikterisches (Rekonvaleszenz-) Stadium (2 bis mehrere Wochen)
    • Ikterus klingt ab, die pathologischen Laborwerte sind rückläufig, Leber und Milz noch einige Zeit lang tastbar
    • Nachsorge des Patienten ist wichtig, da der Prozess in der Leber nach Abklingen der Symptome noch nicht beendet ist (verminderte Leistungsfähigkeit und Konzentration, leichtes Krankheitsgefühl)
Diagnose Anamnese: Nahrungsmittel (Muscheln), Auslandsreisen, Bluttransfusionen, Medikamente, Drogen, Sexualpraktiken, berufliche Risiken, Dialysepatient
Körperliche Untersuchung:
  • Inspektion: gelbe Skleren (Ikterus), Kratzspuren (Juckreiz)
  • Palpation: Hepatomegalie, Splenomegalie, Lymphknoten-Schwellung
Labor: Blut (Hepatitis A im Stuhl), Hepatitis-Serologie, Bilirubin erhöht, GPT erhöht, GOT erhöht, Gamma-GT erhöht, AP erhöht, IgM erhöht, Cholinesterase, Quick-Wert erniedrigt, Albumin, Harn-/ Stuhluntersuchungen, Sexualsekrete
Apparative Diagnostik: Sonographie, Biopsie
Differentialdiagnose
  • Hepatitis durch andere Viren: Zytomegalie, Epstein-Barr, Herpes, Coxsackie
  • Hepatitis durch Bakterien: Typhus, Leptospiren, Brucellosen
  • Hepatitis durch Parasiten: Malaria, Amöben
  • Hepatiden: Autoimmunhepatitis, toxische Hepatitis (Medikamente, Alkohol, M. Wilson, Pilze)
  • akute Stauungsleber
Komplikationen
  • Entwicklung einer chronischen Hepatitis (drei Formen: Viruspersistenz, geringe entzündliche Aktivität, hohe entzündliche Aktivität)
  • Fulminante Hepatitis mit akutem Leberversagen
  • Leberzirrhose
  • hepatozelluläres Karzinom
Immunität/Prophylaxe
  • Verbesserung der allgemeinen hygienischen Bedingungen, Einmalmaterialien
  • nach durchgemachter Krankheit besteht jahrelang, wahrscheinlich lebenslange Immunität, jedoch nur für die Hepatitis-Form, an der man erkrankt war
  • Impfung: siehe bei den Hepatitis-Formen
Therapie
  • Allgemeinmaßnahmen: symptomatisch, es dürfen nur lebensnotwendige Medikamente verordnet werden (vermeiden von hepatotoxischen Medikamenten: Zytostatika, Immunsuppressiva, Östrogene), striktes Alkoholverbot, körperliche Schonung, Bettruhe, Hygienemaßnahmen (eigene Toilette, Händedesinfektion)
  • Prophylaxe: Impfung (besonders Hepatitis B bei Risikogruppen)
  • Medikamentöse Therapie: Absetzen von leberschädigenden Mitteln, Interferon bei akuter Hepatitis C, Antihistaminika gegen Juckreiz
Meldepflicht
  • Verdacht, Erkrankung, Tod (§§ 6/8 IfSG)
  • Namentliche Meldung (§§ 7/8 IfSG) des Erregernachweises
  • Behandlungsverbot für Heilpraktiker (§ 24 IfSG)
  • Tätigkeits-/Beschäftigungsverbot (§ 42 IfSG) bei Hepatitis A/E
Prognose Die meisten aller akuten Virushepatiden heilen spontan innerhalb von 3-16 Wochen aus
Hepatitis B, C, D sind ungünstiger als Hepatitis A, E.

Sonderformen
  • cholestatische Virushepatitis: intrahepatisches Verschlusssyndrom: gute Prognose
  • prolongiert verlaufende, rezidivierende Hepatitis: über 3 Monate anhaltende Transaminasenerhöhung
  • fulminant, nekrotisierende Hepatitis: Lebernekrose, starker Ikterus, Fieber, Erbrechen, Aszites bis Leberkoma

 

Erreger Virusträger Übertragung Infektiöses
Material
Inkubationszeit
(Tage)
Chronisch fulminant Prophylaxe
Typ A - Fäkal-oral Stuhl, Blut
Nahrungsmittel,
Wasser
15-50 Nie < 1% Aktive/ passive Impfung
Typ B Ja Blut, Speichel, sexuell, perinatal Blut, Speichel, Serum, Sexualsekrete 30- 180 10% Etwa 1% Aktive/ passive Impfung
Typ C Ja Blut, Speichel, sexuell, perinatal Blut, Serum,
Sexualsekrete
15-180 > 50% Etwa 1% Hygiene
Sexualschutz
Typ D Ja Blut, sexuell,
perinatal
Blut, Serum,
Sexualsekrete
30-180 Bis zu 50% 2-10% Aktive/ passive Impfung
Typ E - Fäkal-oral Stuhl 15-60 Nie Bis 10% Hygiene

 

Parameter
Anti-HBs Schutz vor Neuinfektion Anti-Habe Ende der akuten Phase
Anti-HBc Frühe Infektionsphase erhöht
Rekonvaleszenz
HBs-Ag + Anti-HBs-IgM Chronische Infektion
HBe-Ag Frühe Infektionsphase erhöht

 

Merke
Hepatitis A:
  • nach Ende der 3. Krankheitswoche ist der Patient nicht mehr ansteckbar
  • haben sich die Transaminasen normalisiert, so gilt die Hepatitis A als ausgeheilt
Merke
Bei hohen Transaminasen darf keine Kortisonbehandlung erfolgen, da hierbei der Virus nicht vollständig ausgeschieden wird.
Merke
Hepatitis B:
Bei Nadelstichverletzungen: Hepatitis-B-Hyperimmunglobulin innerhalb von 6-12 Stunden.

ff