Krankheiten
Akutes Nierenversagen (Urämie)

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Akutes Nierenversagen

Urämie ist eine weitere Bezeichnung für das akute Nierenversagen. Akutes Nierenversagen bedeutet den plötzlichen Funktionsausfall der Nieren mit Versagen der Harnausscheidung und Anstieg der harnpflichtigen Substanzen. Meist sind eine direkte Schädigung der Niere, Abflussstörungen oder eine verminderte Nierenperfusion die Ursache der Erkrankung. Durch den Ausfall der Nierenfunktion können wasserlösliche Gift innerhalb des Körpers nicht mehr ausgeschieden werden. Es kommt innerhalb von Stunden bis Tagen zu Vergiftungserscheinungen. Die Erkrankung verläuft in vier Stadien und ist aber bei richtiger Behandlung reversibel. Die Diagnostik und Therapie sollte so rasch wie möglich durchgeführt werden, da sonst Komplikationen auftreten können, wie ein irreversibler Funktionsverlust der betroffenen Niere.

Leitmerkmale: zunehmende Oligurie, später Anurie mit zerebralen Symptomen
Definition Beim Akuten Nierenversagen stellen die Nieren plötzliche ihre Tätigkeit ein und es kommt zum Anstieg der sonst über die Nieren ausgeschiedenen Substanzen

Weitere Bezeichnungen
(Synonyme)
  • Urämie
Stadien
I Schädigungsphase (Stunden bis Tage): Oligurie bis Normurie
II Oligo- bis Anurie (7 Tage bis 10 Wochen): Überwässerung (Lungenödem, Hirnödem, periphere Ödeme), Hyperkaliämie (Kammerflimmern), metabolische Azidose (Medikamentenüberdosierung!!), Urämie, Hypertonie, Gicht
III Polyurie (Tage bis Wochen): Rückgang der Urämiesymptome, Dehydratation (Exsikkose, Natrium-/Kalium-Verlust), Hypotonie, Herzflimmern, Tachykardie, Tetanie, Alkalose
IV Restitution (bis 12 Monate): normale Diurese
Pathogenese Durch eine unzureichende Sauerstoffversorgung des Nierengewebes kommt es zur Zerstörung funktioneller Zellen, wodurch die Tubuli verstopfen und die Nierenfunktion in diesem Gebiet ausfällt. Dadurch wird die Regulation des Mineralstoff-/Wasser- und Säure-Basenhaushaltes und die Bildung roter Blutkörperchen (Erythropoetinmangel) gestört

Ursachen

  • prärenale Ursachen: (durch renale Hypoperfusion)
    • Volumenverlust (Exsikkose): Flüssigkeitsverlust (Dehydratation), Blutverlust
    • Elektrolytstörungen: Erbrechen, Durchfall, Fieber
    • Herz/Kreislauf: Herzinsuffizienz, Blutdruckabfall, Schock (kardiogen, hypovolämisch, septisch), Hämolyse, Thromboembolie
    • Lungenembolie, Leberzirrhose, Nierenperfusionsstörungen, Sklerodermie
    • Medikamente: Aminoglykoside, Antibiotika, NSAR, ACE-Hemmer, Kontrastmittel, Diuretika

  • renale Ursachen: (durch Nierenparenchymläsionen)
    • ischämisch: arterielle Hypertonie, Trauma, Schockzustände, Blutverluste
    • vaskulär: Hypertonie, Vaskulitis, Nierenvenenthrombose/-stenose, Aortenaneurysma, renalarterieller Verschluss, Lupus erythematodes
    • glomerulär: Glomerulonephritis (post-infektiös, SLE)
    • interstitiell: Pyelonephritis, interstitielle Nephritis (medikamentös, allergisch), Hyperkalzämie
    • tubulär: akute Tubulusnekrose, Hämolyse
    • toxisch: Röntgenkontrastmittel, Schwermetalle, organische Lösungsmittel, Medikamente (NSAR, Antibiotika)

  • postrenale Ursachen: (mechanische Hindernisse, Obstruktionen der Harnwege)
    • Abflussstörungen durch Steine, Prostatahyperplasie/-tumor, Tumoren, Strikturen, Fremdkörper, neurogene Blasenentleerungsstörungen, postoperative/ postentzündliche Zustände
Risikofaktoren
  • akut: Volumenmangel (Blutdruckabfall), Infektionen, Pankreatitis, Polytrauma, Sepsis, Verbrennungen
  • chronisch:  Diabetes mellitus, chronische arterielle Hypertonie, Herz-/ Nierenerkrankungen, Schmerzmittelmissbrauch
Symptome Leitsymptom: asymptomatische Oligurie, Anurie

  • zu Beginn: asymptomatisch oder Symptome der Grunderkrankung
  • Allgemeinsymptome: rasche Ermüdbarkeit, Übelkeit, Erbrechen, Somnolenz bis Koma, Juckreiz, Geruch nach Harnstoff (Foetor uraemicus)
  • enteral: Durchfall, Ulzera, Peritonitis
  • zerebral: Hirnödem (Unruhe, Krampfanfälle, Bewusstseinsstörung)
  • renal: Anurie mit Hypertonie und Ödemen (Lunge)
  • pulmonal: Kussmaul-Atmung
  • dermal: graugelbe Hautfarbe (durch abgelagerte Urate)
  • hohes Kalium: Herzrhythmusstörungen
  • hohes Kalzium: schlaffe Muskulatur, schwache Reflexe
  • hoher Harnstoff: Gangataxie, Bewusstseinsstörungen
  • Azidose: Kussmaulatmung
Diagnose Anamnese: Vorerkrankungen, Trauma, Medikamente, Miktionsverhalten, Allgemeinbefinden (Fieber, Erbrechen, Diarrhö, Schmerzen)
Körperliche Untersuchung: Hautturgor, Bewusstseinslage, Ödeme/Exsikkose, Palpation des Nierenlagers, rektale/vaginale Untersuchung, Lungenstauung, Blutdruck
Labor: Blutbild, Kreatinin erhöht, Harnstoff erhöht, Elektrolyte (Kalium erhöht) Phosphor erhöht, Bilirubin, LDH, Blutzucker, CRP, Gerinnung, Urin-Status (Proteinurie, Erythrozytenzylinder), hohes spezifisches Gewicht, Bakterienkultur, Antikörper
Apparative Diagnostik: Sonographie, EKG (Hyperkaliämie, Herzrhythmusstörungen), Rö-Thorax, CT, Nierenbiopsie

Differentialdiagnose
  • Nierenversagen bei Leberinsuffizienz
  • Hypoglykämie
  • Diabetes mellitus
  • Hyperthyreose
  • Apoplex
  • Meningitis
  • Enzephalitis
  • Gehirnblutung
  • Vergiftungen
Komplikationen
  • Lungen-/Hirnödem
  • Schocklunge
  • Hypertonie
  • Blutungen
  • Herzrhythmusstörungen
  • Überwässerung
  • metabolische Azidose
  • Elektrolytentgleisungen
Therapie NOTFALL:
  • Allgemeinmaßnahmen: sofort ins Krankenhaus, Behandlung der Grunderkrankung, evtl. Schockbehandlung
  • Ernährungstherapie: Flüssigkeitsbilanzierung, hochkalorische eiweiß-/ kaliumarme Ernährung
  • Medikamentöse Therapie: Diuretika, Elektrolytausgleich, Katecholamine
  • Nierenersatztherapie: Dialyse, Harnleiterstents, Nierentransplantation
Prognose Mortalität bei ca. 50 % abhängig von der Grunderkrankung.

 

Notfall

Notfallmaßnahmen beim akuten Nierenversagen:

  • Anruf: Notarzt
  • Allgemeinmaßnahmen: Patienten beruhigen, beengte Kleidung entfernen, Patient zudecken
  • Lagerung: wie sie der Patient toleriert, bei Bewusstlosigkeit stabile Seitenlage
  • Vitalzeichenkontrolle: engmaschig
  • Reanimation: wenn nötig
  • Zusatzmaßnahmen: Sauerstoffgabe, i.v.- Zugang

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