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Anämie

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Anämie

Blutarmut ist die deutsche Bezeichnung die Anämie. Mit Anämie beschreibt man eine pathologische Verminderung des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin, Hb) oder des Anteils der roten Blutkörperchen (Hämatokrit) im Vollblut unter den Normalwert. Der rote Farbstoff der Erythrozyten, das Hämoglobin, ist der wichtigste Bestandteil der roten Blutkörperchen. Er transportiert mittels Eisen den von Körper über die Lungen aufgenommen Sauerstoff hin zu den einzelnen Zellen. Ist dieser Farbstoff also vermindert oder fehlt, tritt in der Folge dessen ein Sauerstoffmangel im ganzen Körpergewebe mit den entsprechenden Symptomen auf. Durch die Monatsblutung sind von der Erkrankung die Frauen mehr betroffen als die Männer. Es werden verschiedene Formen der Anämie unterschieden, die sich sowohl durch Ihre Ursachen wie auch in der Behandlung differenzieren.

Leitmerkmale:  Blässe, Leistungsminderung, erhöhte Infektanfälligkeit
Definition Mit Anämie beschreibt man die pathologische Verminderung des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin, Hb) oder des Anteils der roten Blutkörperchen (Hämatokrit) im Vollblut unter den Normalwert. In der Folge tritt ein Sauerstoffmangel mit den entsprechenden Symptomen ein

Weitere Bezeichnungen
(Synonyme)
  • Blutarmut
Vorkommen
(vor allem bei)
  • Frauen
Einteilung nach
Anämien
  • Blutungs-Anämie: akut, chronisch, innen, außen (starke Menses, Operation)
  • Mangel-Anämie: Eisenmangel (Schwangerschaft), Perniziöse Anämie (Vitamin B12), Folsäureanämie, Eiweißmangelanämie (mangelnde Zufuhr, Resorptionsstörungen, erhöhter Bedarf)
  • Hämolytische-Anämie (vorzeitiger, gesteigerter Abbau): Erythrozytendefekte (Kugelzell-/ Sichelzellanämie), Perniziöse Anämie, durch Infektionskrankheiten (Malaria), Medikamente
  • Aplastische-Anämie (bei Knochenmarksschädigungen):  Strahlentherapie, Medikamente, Infektionen, bösartige Erkrankungen
  • renale Anämie (verminderte Stimulation von Erythropoetin): Niereninsuffizienz (Mangel an Erythropoetin)
  • hereditäre Anämie (genetisch bedingt): Kugelzell-/ Sichelzellanämie, Thalassämie
  • symptomatische Anämie: Krebs (Knochenmark), Tbc, Bleivergiftung, Medikamente, chronische Infekte, regelmäßige Blutwäsche
Einteilung nach
Form der
Erythrozyten
  • Normozytäre Anämie (MCD = mittlerer corpuskulärer Durchmesser, Normalwert 6,5–8 μm): Erythrozyten normal groß; Vorkommen: Aplastische Anämie bei Knochenmarksinsuffizienz, hämolytische Anämie, akute Blutung
  • Mikrozytäre Anämie (MCD < 6,5 μm): abnorm kleine Erythrozyten; Vorkommen: Eisenmangel- und Kugelzellenanämie
  • Makrozytäre Anämie (MCD > 8 μm): junge, große früh entkernte Erythrozyten, Vorkommen: B12-/Folsäuremangel-Anämie
Einteilung nach dem Hämoglobingehalt

Färbekoeffizienz (HbE, MCH) 1,7-2,0 fmol, gibt den Hämoglobingehalt der Erythrozyten an

  • Hypochrome Anämie (MCH > 27 und MCV erniedrigt): Mangel an Hämoglobin (Farbstoff des einzelnen Erythrozyten vermindert)
    • bei: Eisenmangel, Infekt-/Tumoranämie, Thalassämie (sehr selten), Vitamin B 6-Mangelanämie
  • Hyperchrome Anämie (MCH und MCV erhöht): Mangel an Erythrozyten (Hämoglobingehalt des einzelnen Erythrozyten erhöht)
    • bei: megaloblastäre (perniziöse) Anämie
  • Normochrome Anämie (MCH und MCV normal, Hb, Hkt und Erythrozytenzahl erniedrigt): gleichmäßiger Mangel an Erythrozyten und Hämoglobin (Farbstoff normal)
    • bei: akuter Blutungsanämie (Kreislauf-/Schockzeichen), hämolytische Anämie, aplastische Anämie, Infekt-/Tumoranämie, Kontrastmittel-Insuffizienz
Einteilung nach
Ursachen

Bildungsstörung der Erythrozyten (ineffektive Erythropoese):

  • Mangel an Nährstoffen/Hormonen:
    • Eisenmangel, Vitamin-B12-Mangel, Folsäuremangel
    • Erythropoetinmangel: Nierenerkrankung
    • hormonelle Erkrankungen: Unterfunktion von Hypophyse, Schilddrüse, Gonaden, Nebenniere
    • Proteinmangel

  • Suppression oder Aplasie (= Anlage ohne regelgerechte Entwicklung) der Erythropoese:
    • toxisch: Zytostatika, Alkohol
    • Bestrahlung größerer Skelettabschnitte, aplastische Anämie
    • chronische Infektionen: z.B. Endokarditis, Osteomyelitis, Abszesse, Tbc, HIV
    • chronisch-entzündliche Erkrankungen: z.B. rheumatoide Arthritis, SLE, Polymyalgia rheumatica, Vaskulitiden, Morbus Crohn
    • Lebererkrankungen, Tumoren
    • Formen: aplastische Anämie, Eisenmangelanämie, megaloblastäre Anämie, renale Anämie, Tumoranämie

  • Gesteigerter Erythrozytenabbau:
    • durch Defekt der Erythrozyten: Kugelzellenanämie, Sichelzellenanämie, Thalassämie
    • durch Hämolyse: pathologische Zerstörung der Erythrozyten
    • Defekt außerhalb der Erythrozyten: z.B. Antikörper
    • Infektionskrankheiten: Malaria, Clostridien
    • Stoffwechselstörungen, künstliche Herzklappen, Vergiftungen

  • Erythrozytenverlust:
    • akute und chronische Blutungen (dann kompensatorischer Anstieg der Retikulozyten)
    • starke Menstruationsblutung, Magengeschwür, chronische Gastritis, Colitis ulzerosa, Hämorrhoiden, Magen-Darmtumoren, Nieren-/Blasenkarzinom, Glomerulonephritis
Ursachen
  • angeboren: durch Gendefekte von frühester Kindheit an
  • erworben: durch chronische Erkrankungen, einseitige Ernährung
Risikofaktoren
  • Störung der Blutbildung: von den Erkrankungen des Knochenmarks über Hormone/Vitamine/Medikamente hin zur Leukämie/Autoimmunerkrankungen/ Virusinfekte
  • Blutungen: bedingt durch Unfälle /Erkrankungen
  • vorzeitiger Erythrozytenabbau: Defekte an den roten Blutkörperchen, Medikamente, Krankheitserreger, Chemikalien, Immunreaktionen
Symptome
  • Allgemeinsymptome: rasche Ermüdbarkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsschwäche, Schlaflosigkeit
  • akute Symptome: (durch Blutungen)

  • dermal: Blässe, kalter Schweiß
    • pulmonal: Atemnot, Hyperventilation, Belastungsdyspnoe
    • kardial: Herzklopfen, Ohrensausen, Tachykardie bis Schock
    • Unruhe, Durst, Übelkeit, Ohnmacht

  • chronische Symptome: (durch Sickerblutung, Mangel an Vitamin B 12, Folsäure, Intrinsic-Faktor, hämolytisch, aplastisch, renal, symptomatisch)
    • dermal: Blässe, Kälteempfindlichkeit
    • kardial: Tachykardie, Neigung zu Schwindel
    • pulmonal: Atemnot bei Belastung
Diagnose Anamnese: einseitige Ernährung, Menstruationsblutung, Vorerkrankungen (Infekte, Malignom), Verfärbung von Stuhl/Urin, Medikamente (ASS), Herz (Klappenersatz, Endokarditis), rasche Ermüdbarkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsmangel, Schlaflosigkeit
Körperliche Untersuchung:
  • Inspektion: Konjunktiven, Schleimhäute, Haut (Blässe, kalter Schweiß),
  • Palpation/Auskultation: Leber, Milz, Untersuchung/Auskultation von Herz (Herzklopfen, Tachykardie) und Lunge (Belastungsdyspnoe, Hyperventilation)
Labor: Blutbild (Hb > 13,5 g/dl Männer, > 12,0 g/dl Frauen, Hkt > 405 Männer, > 37% Frauen, Erythrozyten > 4,3 Mio./µl Männer, > 3,9 Mio./µl Frauen), Differentialblutbild (Leukozytose, Thrombozytose), Retikulozyten, CRP, Serum-Eisen, Ferritin, Transferrin, MCV, MCH, Vitamin B12, Folsäure, Kreatinin, Bilirubin, LDH, Test auf okkultes Blut im Stuhl, Urinstatus
Apparative Diagnostik: je nach Verdachtsdiagnose (Gastros-/Koloskopie, gynäkologisches Konzil), Knochenmarkspunktion

Komplikationen
  • Schock
  • Kreislaufstillstand
  • Sauerstoffmangel
Therapie
  • Allgemeinmaßnahmen: Blutstillung, Notfallmaßnahmen
  • Medikamentöse Therapie: Volumenersatz, Kreislaufstabilisierung, Bluttransfusion, fehlende Substanzen ersetzen
Sonderform:
Kugelzellanämie

Angeborene Formveränderung der Erythrozyten:

  • Pathogenese: autosomal- dominanter Erbgang: Erythrozyten sind klein und kugelförmig, vererbt, können sich nicht mehr durch Formänderung in die Kapillare pressen, werden vermehrt in der Milz abgebaut (z. B. erbliche hämolytische Anämie)
  • Symptome:  Hämolyse- Symptome, Skelettanomalien, Infantilismus, Ulcera cruris, Splenomegalie, mäßiger Ikterus, evtl. abdominelle Schmerzen, Fieber
  • Diagnose: Kugelzellen im Blut, MCH normal, Thrombozyten erniedrigt, Blutungszeit erhöht
  • Therapie:  Splenektomie
Sonderform:
Sichelzellanämie
Vererbte Strukturanomalie des Hämoglobins:

  • Vorkommen: bei schwarzen Menschen (Afrika) und im Mittelmeerraum
  • Pathogenese: autosomal-rezessiver Erbgang (dominant vererbt), Erythrozyten in Sichelform, verlieren an Elastizität und verstopfen so die kleinen Gefäße, Erythrozyten gehen frühzeitig zu Grunde, kann im Kindesalter schon zum Tod führen
  • Symptome: erhöhte Thromboseneigung, Organinfarkte (Milz, Haut, Gehirn, Nieren), Kopfschmerzen, Depressionen, erhöhte Infektanfälligkeit, Hypoxie, Skeletterkrankungen
  • Diagnose: Sichelzellenform der Erythrozyten, Blutungszeit erhöht, Thrombozyten erniedrigt
  • Therapie Infektionsprophylaxe, Erythrozytenkonzentrate, Knochenmarkstransplantation
Sonderform:
Thalassämie
Angeborene Störung der Hämoglobinbildung, v.a. im Mittelmeerraum:

  • Pathogenese: autosomal-dominanter Erbgang, mikrozytär-hypochrom, die Erythrozyten haben eine verkürzte Lebensdauer
  • Symptome: Hämolyse-Symptome, Kardiomyopathie, Hepatosplenomegalie, Skelettveränderungen /Frakturen, Deformationen), chronische Hypoxie, Wachstumsstörung, trophische Hautschäden (Ulcus cruris)
  • Diagnose: MCH erniedrigt, MCV normal, Thrombozyten erniedrigt, Blutungszeit erhöht, Quick erniedrigt, Targetzellen
  • Therapie: Knochenmarkstransplantation, Erythrozytenkonzentrate

 

Merke
Gemeinsame Symptome der Anämien:
  • Müdigkeit, Konzentrationsmangel, Schwindel, Schwäche, Blässe, Belastungsdyspnoe
  • auskultatorisch: Tachykardie, Herzgeräusche, Strömungsgeräusche in den Gefäßen
  • die BSG zeigt mit Ausnahme der Sichelzellenanämie eine starke Erhöhung

ff