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Gicht

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Gicht

Hyperurikämie, Zipperlein, Arthritis urica sind weitere Bezeichnungen für die Gicht. Die Gicht ist eine Störung des Purinstoffwechsels mit Erhöhung der Harnsäurekonzentration im Blut > 7,0 mg/dl (Hyperurikämie). Es lagern sich ausgefällte Harnsäurekristalle (Urate) an den Gelenken, Geweben und Organen (vor allem der Niere) ab und verursachen lokal sehr schmerzhafte Entzündungsreaktionen. Die Gicht tritt oft zusammen mit einer Adipositas, einem Diabetes mellitus und einer Hyperlipidämie auf (metabolisches Syndrom). Es sind mehr Männern als bei Frauen davon betroffen. Beim Gesunden werden die Purine in Harnsäure umgewandelt und über die Niere ausgeschieden, bei einer Gicht ist dies nicht der Fall. Die Erkrankung verläuft in Schüben und führt lange unbehandelt zu großen Schäden an Gelenken und Organen. Bei einer Erkrankung der Nieren kann es soweit kommen, dass eine Niereninsuffizienz auftritt.

Leitmerkmale: geschwollener, stark schmerzhafter großer Zeh (Podagra), v.a. nachts (Entzündungszeichen)
Definition Als Gicht bezeichnet man eine sehr schmerhafte Erkrankung der Gelenke verursacht durch Ablagerung von Harnsäurekristallen

Weitere Bezeichnungen
(Synonyme)
  • Hyperurikämie
  • Zipperlein
  • Arthritis urica
Vorkommen
(vor allem bei)
  • Männer: mittleres Alter
Einteilung
  • primäre Gicht (95%): angeborener Fehler im Harnsäurestoffwechsel, plötzlich
    • familiär gehäuft (Ernährungsfehler)
    • Manifestation bei purinreicher Ernährung: besonders Innereien, fettes Fleisch, Fisch, Pilze, Spinat, Hülsenfrüchte, Tomaten, Rotwein und Übergewicht
    • vorwiegend renale Ausscheidungsstörung, selten erblicher Enzymdefekt
    • ausgelöst durch übermäßiger Alkoholkonsum/üppige Mahlzeiten, Stress, Kälteeinwirkung, Traumen, Operationen

  • sekundäre Gicht: erhöhter Harnsäurespiegel durch eine Grunderkrankung
    • vermehrte Harnsäurebildung durch Zelluntergang: starke Verbrennungen oder Verletzungen, Leukämien, Polyzythämien, Tumoren unter Zytostatika-/ Strahlentherapie, Psoriasis, hämolytische Anämie 
    • verminderte renale Harnsäureausscheidung: chronische Niereninsuffizienz, Medikamente (Diuretika, Salizylate, Laxantien), hoher Alkoholspiegel, Azidosen
    • Ketozidose:Fasten, fettreiche/purinhaltige Ernährung, dekompensierter Diabetes mellitus
    • Intoxikationen: CO, Blei
Stadien
I latente Gicht: erhöhte Harnsäure, aber keine Beschwerden
II akuter Anfall: Auslöser: überreichliches Essen, Alkoholmissbrauch, körperliche Überanstrengung, Fastenkuren, Stress, Infekte
III beginnende chronische Gicht: asymptomatisches Intervall zwischen zwei Gichtanfällen, zunehmende Stoffwechselstörungen, Harnsäure normal bis erhöht
IV chronische Gicht: Gelenksdeformitäten, Urat-Ablagerungen in den Gelenken, Haut, Knorpel, Ohrmuschel (Tophi) mit irreversiblen Schäden an den Knochen
Gichtniere: Hypertonus, chronische Niereninsuffizienz

Pathogenese In der Leber werden die Zellkerne gespalten, wodurch Purine frei werden, die in Harnsäure umgewandelt werden, damit sie die Niere ausscheiden werden sollen. Wird die Harnsäure aber nicht ausgeschieden, so kommt es zu einer positiven Harnsäurebilanz und es lagern sich Harnsäurekristalle in den Gelenken (Gelenkspalt/-knorpel, Synovia, Sehnenscheiden, Schleimbeutel), Gewebe und Organen (Niere, Subcutis) ab. Es kommt durch weitere Anlagerung von Granulozyten (Abwehr) zu Reizungen und Entzündungen (der Körper versucht damit die Ablagerungen wieder los zu werden), die, wenn sie länger bestehen, schließlich zu schwerwiegenden Schäden (Gelenksveränderungen) führen können.
Die Harnsäurekristalle werden vom Immunsystem als Fremdkörper erkannt und phagozytiert, wodurch es zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren kommt

Ursachen
  • gestörte Ausscheidung von Harnsäure (Niereninsuffizienz)
  • gestörte Enzymtätigkeit (mehr Harnsäure fallt an)
  • vermehrte Zufuhr von purinhaltigen Nahrungsmittel
  • vermehrter Untergang von körpereigenen Zellen (Zytostatika)
Risikofaktoren
  • Übergewicht
  • Fettstoffwechselstörungen
  • Diabetes mellitus
  • Hypertonus
  • purinhaltige Ernährung
  • erhöhter Alkoholkonsum
  • höheres Alter
  • Männer (95 %)
  • maligne Erkrankungen
Symptome
  • akuter Gichtanfall (v.a. nachts, frühmorgens, klingt nach wenigen Tagen bis 3 Wochen ab):
    • ausgelöst durch „Fasten und Feste“: Ess- oder Trinkexzesse (Alkohol verstärkt die Azidose), nach Infekten oder durch Kälte
    • befällt bevorzugt: Gelenke mit geringer Stoffwechselaktivität (periphere) , meist nur ein Gelenk: rechtes Großzehengrundgelenk (= Podagra, am weitesten vom Herz), seltener Sprunggelenk, Fußwurzel, Kniegelenk
    • Schmerz: anfallartig, heftig, mit großer Berührungsempfindlichkeit
    • Entzündungszeichen: Rötung, Schwellung, Fieber, Leukozytose
    • Allgemeinsymptome: evtl. mäßiges Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit, Tachykardie
    • akute Gichtanfälle wechseln mit symptomfreien Intervallen ab, nach dem Anfall: Schuppung/Hautjucken des betroffenen Gelenks

  • chronische Gicht (entwickelt sich nach 5-15 Jahren):
    • Gelenksdeformationen/Knorpelzerstörungen mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen (Arthritis)
    • chronische Entzündungen/Schwellungen
    • Urat-(Harnsäure-)ablagerungen (Gichttrophi): Knötchenbildung an Ohr, Finger, Ellenbogen, Zehen, Ferse (klein, hart manchmal gelblich schimmernd), Knochen, Sehnenscheiden
    • Gefahr der Gichtniere: Nierensteine, Entzündungen (Nephritis)
    • Gefäßveränderungen: Arteriosklerose
Diagnose Anamnese: Risikofaktoren, Familienanamnese, Ernährung, Medikamente, Symptome
Körperliche Untersuchung: Schwellung, Rötung, Gichttrophi, Gelenkdeformitäten
Labor: Harnsäure (Hyperurikämie,Männer normal 3,5- 7 mg/dl, Frauen 2,5 -5,7 mg/dl), BSG erhöht, CRP erhöht, Blutbild (Leukozytose erhöht), pH-Urin erniedrigt, Kreatinin
Apparative Diagnostik: Röntgen (Knochen-/Knorpeldestruktionen), Gelenkspunktion, Nierensonographie, Blutdruckkontrollen

Differentialdiagnose
  • akute Monarthrits anderer Genese: akute bakterielle Arthritis, aktivierte Arthrose, Arthritiden (Borreliose, Yersiniose, Gonorrhoe), Psoriasis, Morbus Reiter, akutes rheumatisches Fieber
  • allgemein: Bursitis, Phlegmone, Rheumaknoten, Xanthome, Sarkoidose
Komplikationen
  • Nephrolithiasis
  • Niereninsuffizienz
  • Gicht-Niere
  • Gelenksdeformationen
  • Arteriosklerose
Therapie
  • akuter Anfall: kühlende Alkoholumschläge, Ruhigstellung des Gelenks, entzündungs-/schmerzlindernde Medikamente, vermehrte Flüssigkeitszufuhr
  • Langzeittherapie:
    • Allgemeinmaßnahmen: viel Sport, Normalgewicht anstreben (langsam), Alkoholkarenz, Kaffeekonsum einschränken, Vitamin C, Folsäure, kühlende Umschläge, Moor-/Schlammpackungen, Steigerung der Harnsäureausschüttung über die Niere
    • Ernährungstherapie (purinarme/fettarme Kost): viel trinken, keine Innereien, Wild, Sardinen, Schweinefleisch, Fleischextrakte, Gänse, Enten, Glutamat (Fertiggerichte, Wurst), Spargel, Hülsenfrüchte, Spinat, Pilze, Nüsse, Alkohol (Bier), Kaffee, Schokolade, keine radikalen Fastenkuren, meiden von fruktosehaltigen Früchten
    • Naturheilkundliche Therapie: Akupunktur, Ohrakupunktur, Bachblüten, Blutegel, Cantharidenpflaster, Eigenbluttherapie, Homöopathie, Neuraltherapie, Phytotherapie, Schüssler Salze
    • Medikamentöse Therapie:
      • im akuten Anfall: nichtsteroidale Antirheumatika, Colchizin, Glucokortikoide, Antiphlogistika
      • Dauerbehandlung: Allopurinol, Benzbromaron, Urikosurika, Urikostatika
Prognose Die Gichtniere ist prognostisch ungünstig (Pyelonephritis, Hypertonie).

Bilder

 

Cave
Länger anhaltendes Fasten kann einen akuten Gichtanfall auslösen! (die Ketoazidose führt zu einer Verringerung der Harnsäureausscheidung über die Nieren; deshalb ist ausreichendes Trinken besonders wichtig, um eine Steinbildung zu vermeiden).
Merke
Harnsäurekristalle sind im Röntgenbild nicht schattenbildend!
Merke
Bei der Leberinsuffizienz sind die Harnsäurewerte nicht erhöht (sondern erniedrigt)! Erhöht sind sie bei der Niereninsuffizienz.

ff