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Herzinsuffizienz

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Herzinsuffizienz

Herzschwäche, Herzmuskelschwäche, Myokardinsuffizienz sind weitere Bezeichnungen für die Herzinsuffizienz. Als Herzinsuffizienz bezeichnet man das Unvermögen des Herzens, das zur Versorgung des Körpers erforderliche Blutvolumen zu fördern (unzureichende Leistungsfähigkeit des Herzens, akut oder chronisch). Meist ist die Erkrankung eine Folge einer bereits bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankung (Hypertonie oder koronare Herzerkrankung). Es kommt so weit, dass der Sauerstoff und das Blut in der Peripherie für die Arbeitsleistung nicht mehr ausreichen. Der Körper versucht durch eine vermehrte Produktion von Katecholaminen, Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, eine ADH-Aktivierung und die Freisetzung von natriuretischen Peptiden dies zu kompensieren. Außerdem vergrößert sich das Herz, da die Herzmuskulatur zunimmt.

Leitmerkmale: Herzvergrößerung, Tachykardie, Nykturie
Definition Bei einer Herzinsuffizienz handelt es sich um eine Herzerkrankung mit ungenügendem Auswurf an Blut in den Körperkreislauf

Weitere Bezeichnungen
(Synonyme)
  • Herzschwäche
  • Herzmuskelschwäche
  • Myokardinsuffizienz
Einteilung
  • nach betroffenem Ventrikel: Links-/Rechts- und Globalinsuffizienz
  • nach Schweregrad: Ruhe- oder Belastungsinsuffizienz
  • nach zeitlichem Ablauf: akute, chronische Herzinsuffizienz
  • nach Auswurfleistung: Vorwärts-/Rückwärtsversagen
  • nach Kompensation: kompensiert (keine Symptome obwohl eingeschränkte Pumpfunktion), dekompensiert (Herzbeschwerden mit Auswirkungen auf die Peripherie)
Einteilung nach NYHA
(New York Heart Association)
Dient der Einteilung der Herzleistungsfähigkeit bei Herzerkrankungen:

I Patient in Ruhe und bei Belastung beschwerdefrei (körperliche Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt), doch Füllungsdruck bei erheblicher Belastung erhöht (Müdigkeit, Dyspnoe)
II körperliche Leistungsfähigkeit leicht eingeschränkt (Beschwerden erst bei stärkerer Anstrengung), bei alltäglicher Belastung: Luftnot, Erschöpfung, evtl. Rhythmusstörungen
III körperliche Leistungsfähigkeit eingeschränkt (Beschwerden schon bei leichter Anstrengung): Rhythmusstörungen, Luftnot
IV Patient hat schon unter Ruhebedingungen Beschwerden (Ruhedyspnoe); erhebliche Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten
Einteilung nach der American Heart Association (AHA)
  • Stadium A: hohes Herzinsuffizienzrisiko, keine Herzerkrankung, Keine Symptome
  • Stadium B: Herzerkrankung assoziiert mit der Entstehung einer Herzinsuffizienz, keine Symptome
  • Stadium C: frühere/bestehende Herzinsuffizienzzeichen
  • Stadium D: fortgeschrittene Herzerkrankung mit schweren Herzinsuffizienzsymptomen in Ruhe
Pathogenese
  • Vorwärtsversagen:
    • das Herz kann durch ein vermindertes Herzminutenvolumen nicht ausreichend Blut in die Peripherie pumpen (Folge: zu wenig Sauerstoff in der Peripherie und in den Organen)

  • Rückwärtsversagen:
    • die zum Herz zurück transportierte Blutmenge kann nicht mehr ausreichend aufgenommen werden (Folge: Stau des Blutes vor dem Herzen)

  • meist liegen beide Formen gemeinsam vor: Rechtsherzinsuffizienz als Folge einer langanhaltenden Linksherzinsuffizienz
    • akutes Auftreten ist möglich nach einem Herzinfarkt, Endokarditis
    • langsames Auftreten bei erworbenen Klappenfehlern; zuerst herrschen Beschwerden nur unter Belastung, später auch unter Ruhebedingungen vor
Ursachen
  • kardiale Ursachen:
    • Erkrankungen des Endokards: Klappenstenose und/oder Klappeninsuffizienz
    • Erkrankungen des Myokards: Kardiomyopathie (nicht entzündlich), Myokarditis, herzmuskelschwächende Medikamente (Betablocker)
    • Erkrankungen des Perikards: Panzerherz, Perikarderguss
    • Rhythmusstörungen: extreme Tachy-/Bradykardie, Blöcke, Arrhythmien, Vorhofflimmern
    • Erkrankungen der Herzkranzgefäße: koronare Durchblutungsstörung (KHK), Herzinfarkt, arterielle Hypertonie
    • angeborene Herzfehler: offener Ductus Botalli, Klappenfehler, Shunt

  • extrakardiale Ursachen (außerhalb des Herzens)
    • Blut/Kreislauf: Hypertonie (z.B. renal bedingte Hypertonie), Anämie
    • Drucksteigerung im Lungenkreislauf: Lungenembolie, Lungenemphysem, Asthma bronchiale, chronische Bronchitis
    • Hypoxie (Sauerstoffmangel im Blut und/oder Gewebe): durch Lungenerkrankungen (COLD, Fibrose)
    • metabolisch: Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz
    • toxisch: Alkohol, Vergiftungen
    • Medikamente: Glucokortikoide, Zytostatika, Kaliumantagonisten, Antidepressiva
    • immunologisch: rheumatisch, Kollagenosen
    • endokrin: Hyper-/Hypothyreose, Phäochromozytom
    • Schock
Symptome
  • Allgemeinsymptome: eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Schwäche, Müdigkeit, Verschlimmerung der Symptome bei körperlicher Belastung, Erschöpfung, Schwindel, Synkopen, Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit, Schwitzen (Hitzewallungen, Nachtschweiß)
  • kardial: Tachykardie, Herzrhythmusstörungen, Herzvergrößerung, Pleura-/ Perikarderguss
  • pulmonal: Dyspnoe, Orthopnoe, Asthma cardiale, Husten
  • enteral: Appetitlosigkeit, abdominelle Schmerzen (rechts oben), Völlegefühl, Übelkeit, Meteorismus, Obstipation
  • nerval: Depression, Angstgefühle
  • renal: Oligo-/Anurie, Nykturie
  • dermal: Ödeme, Venenstauung, Zyanose
  • Schocksymptome
Spätfolgen
  • pulmonal: Tachypnoe
  • hämatogen: Polyglobulie
  • nerval: Sympathikus: Tachykardie
  • kardial: Hypertrophie bis Insuffizienz, Tachykardie
  • renal: Vasokonstriktion (Angiotensin II), Na+- und Wasserretention
Diagnose

Anamnese: Symptome, Belastungsfähigkeit (Treppen steigen), Gewichtszunahme, Leistungsknick, Blutdruck (im Stehen und Sitzen), Vorerkrankungen, Medikamente
Körperliche Untersuchung:

  • Inspektion: Zyanose, Halsvenenstauung, Ödeme
  • Auskultation: Herzspitzenstoß nach links außen verlagert, feuchte Rasselgeräusche, 3. Herzton, Pleuraerguss
Labor: Blutbild (Anämie?), Transaminasen erhöht, Bilirubin erhöht, Kreatinin erhöht, Harnstoff erhöht, Natrium (Mangel?), Kalium, AP, Albumin, Quickwert (Leber?), Urinstatus
Apparative Diagnostik: EKG, Rö-Thorax (links verbreitertes Herz, Lungenstauung), Echokardiographie (Wanddicke, Kontraktion der Ventrikel), Doppler-Echokardiographie (Blutfluss), Ergometrie, Phonokardiographie, Belastungsuntersuchungen, Sonographie (Herzgröße), Herzkatheter (Herzzeitvolumina), Koronarangiographie (Durchblutung)

Differentialdiagnose
  • kardial: Angina pectoris, Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen, funktionelle Herzbeschwerden
  • pulmonal: Asthma bronchiale, Bronchialkarzinom, Pleuritis, Lungenödem, Lungenembolie, Pneumonie
  • renal: chronische Niereninsuffizienz, Blasenerkrankungen, Prostatahypertrophie
  • vasal: Becken-/Beinvenenthrombose, Schock, Anämie
  • zerebral: Epilepsie, Apoplex
  • allgemein: Leberzirrhose, Tumoren, Infektionskrankheiten, Vergiftungen
Komplikationen
  • Herzrhythmusstörungen: plötzlicher Herztod
  • Lungenödem
  • venöse Thrombosen/Embolien
  • kardiogener Schock
Therapie
  • Allgemeinmaßnahmen: Behandlung der Grunderkrankung (Blutdrucksenkung), akut (körperliche Schonung, Oberkörperhochlagerung), Bewegungstherapie, Atemgymnastik, Bäder, Rauchen einstellen, optimale Schlafbedingungen, Psyche, Stuhlregulierung (ballaststoffreiche Kost), Entspannungsmethoden
  • Ernährungstherapie: Gewicht reduzieren (kochsalzarme, kaliumreiche Diät), mehrere kleine Mahlzeiten, 1-2x/Woche ein Reis-Obst-Tag, Magnesium, Kalzium, Trinkmengenbeschränkung (< 1,5 l /Tag, Bilanzierung, tgl. wiegen), kein Alkohol
  • Naturheilkundliche Therapie: Aderlass, Akupunktur, Ohrakupunktur, Bachblüten, Fußreflexzonenmassage, Homöopathie, Neuraltherapie, Phytotherapie, Schüssler Salze
  • Medikamentöse Therapie:
    • Herz entlastend: Diuretika, Nitrate, Kalziumantagonisten, ACE-Hemmer, Sympathomimetika
    • Herzkraft stärkend: Digitalis (Fingerhut), Betablocker
    • Frequenznormalisierung: Antiarrhythmika
    • Thromboseprophylaxe: Antikoagulantien

  • Operative Therapie: Operation von Klappenfehlern, Schrittmacher
  • Prävention: konsequente Behandlung einer arteriellen Hypertonie/ Hypercholesterinämie
Prognose 1-Jahres-Letalität bei Herzinsuffizienz HYHA II und III bei 9-17 %, bei NYHA IV 36 %

Bilder

 

Notfall

Notfallmaßnahmen bei der akuten Herzinsuffizienz:

  • Anruf: Notarzt
  • Allgemeinmaßnahmen: Patienten beruhigen, beengte Kleidung entfernen, Patient zudecken
  • Lagerung: Oberkörperhochlagerung, Bewusstlose in stabiler Seitenlage
  • Vitalzeichenkontrolle: engmaschig
  • Reanimation: wenn nötig
  • Zusatzmaßnahmen: Sauerstoffgabe, i.v.- Zugang, evtl. unblutiger Aderlass
Merke
Eine Herzneurose führt nicht zu einer Herzinsuffizienz.
Ein vergrößertes Herz ist nicht zwingend schon insuffizient (siehe Sportlerherz) und ein insuffizientes Herz muss nicht vergrößert sein.

ff