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Kinderlähmung

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Kinderlähmung

Poliomyelitis, Polio, Poliomyelitis epidermica anterior acuta, Heine-Medin-Krankheit sind weitere Bezeichnungen für die Kinderlähmung. Bei der Kinderlähmung handelt es sich um eine durch Viren hervorgerufene Infektionskrankheit mit Schädigung des zentralen Nervensystems. Das Virus wird durch den Mund in den Körper aufgenommen und vermehrt sich schließlich im Darm. Von dort greift es in die lokalen Lymphknoten über und verteilt sich danach über die Blutbahn im ganzen Körper. Es befällt vor allem die motorischen Nervenzellen im Vorderhorn des Rückenmarks, die die quergestreifte Muskulatur steuern. Dort kommt es durch Mobilisation des Immunsystems zu einer gezielten Abwehrreaktion gegenüber den Bakterien. Durch die daraus entstehende Entzündung werden die Nervenzellen letztendlich zerstört. Dies führt zu schwerwiegenden, meist bleibenden Lähmungen, vor allem in den Beinen. 90% der Infizierten sind ohne Symptome. Das Virus selbst kann sich nur im Menschen vermehren und nur von Mensch zu Mensch übertragen werden. Bei einem Viertel der Erkrankten bleiben schwere Spätfolgen zurück.

Leitmerkmale: je nach Stadium: von grippalen Symptomen bis zur schlaffen Lähmung
Definition Bei der Kinderlähmung handelt es sich um eine hoch ansteckende, durch Polioviren übertragene Infektionskrankheit im Kindesalter

Weitere Bezeichnungen
(Synonyme)
  • Poliomyelitis
  • Polio
  • Poliomyelitis epidermica anterior acuta
  • Heine-Medin-Krankheit
Vorkommen
(vor allem bei)
  • Kinder: zwischen 3 bis 8 Jahren (selten auch Erwachsene)
Erreger
  • Poliomyelitis-Viren (Enteroviren) Typ I-III
Ausbreitung
  • weltweit v.a. Entwicklungsländern
Ansteckung
  • fäkal-oral (Mensch zu Mensch, Schmutz, Wasser, Stuhl, Sekrete, Lebensmittel, Getränke)
  • Tröpfcheninfektion (Speichel, Husten, Niesen)
  • Schmierinfektion
  • v.a. im Sommer, bei 90 % keine Symptome, die Krankheit kann in jedem Stadium zur Ruhe kommen, bei 1 % kommt es zu einem schweren Krankheitsverlauf
Kurzbeschreibung
  • das Virus wird oral aufgenommen
  • es kommt zu einer Vermehrung im Rachen/Darm (evtl. stille Feiung)
  • danach breitet sich das Virus über das Blut aus (ZNS, Rückenmark)
Inkubationszeit 3 - 35 Tage

Symptome Meist ohne Symptome:

  • Prodromalstadium (2.-5. Tag, abortive Poliomyelitis)
    • Sommergrippe: Fieber, Müdigkeit, Kopf-/Gliederschmerzen
    • Infektion des Rachens: Husten, Halsschmerzen
    • evtl. Magen-Darm-Symptome (Durchfall, Übelkeit => Ansteckung anderer)
    • bei den meisten Menschen ist jetzt die Krankheit überwunden => Immunität

  • Latenzphase (1-2 Tage, nicht paralytische Poliomyelitis, aseptische Meningitis)
    • fieberfrei
    • meningitisches oder präparalytisches Stadium:Latenzzeit: 2-3 Tage
    • erneuter Fieberanstieg („Dromedar-Fieber“)
    • meningitische Zeichen: Nackensteifigkeit, Kopfschmerzen, starke Berührungsempfindlichkeit, Nackensteifigkeit, gesteigerte Reflexe, Kernig-/Budzinski-Zeichen
    • Krankheit kann komplikationslos ausheilen

  • Paralytisches Stadium (Lähmungsstadium): fließender Übergang
    • Schweißneigung, Tachykardie, Blutdruckschwankungen, Muskelschmerzen
    • schlaffe Lähmung(asymmetrisch)bei gleichzeitiger Entfieberung (nach dem Fieber treten keine weiteren Lähmungen auf)
    • Krämpfe, Bewusstseinseintrübung
    • meist sind die Beine betroffen: Muskelschmerzen heftig, keine Sensibilitätsstörungen
        
  • Reparationsphase (2 Wochen nach Erkrankung):
    • Lähmungen bilden sich nach einigen Tagen zurück (Jahre), können aber auch von Dauer sein (50%)
    • auch „Morgenlähmung“ möglich: Kinder abends noch gesund, morgens Lähmungszeichen

  • Postpolio-Syndrom (Jahre oder Jahrzehnte nach der Erkrankung)
    • Zunahme der Paresen mit Muskelschwund
Diagnose Anamnese: Klinik
Labor: Gewebskulturen aus Stuhl (ab 3. bis 4. Tag), Rachenabstrich (24-48 Std. nach der Ansteckung), Gurgelwasser, Liquor, Blut
Apparative Diagnostik: Lumbalpunktion

Differentialdiagnose
  • Infektionen: virale Meningitis/Enzephalitis, grippale Infekte, Influenza, Polyneuritis, Tollwut, Frühsommer Meningoenzephalitis
  • Gulliain-Barre-Syndrom
Komplikationen
  • bei einem Infekt des verlängerten Markes: zentrale Atemlähmung, Schluckstörungen, Kreislaufregulationsstörungen
  • bei Infekt im Großhirn: Bewusstseinsstörungen, Halbseitenlähmungen
  • bei Infekt der Zwischenrippenmuskulatur/Zwerchfell: Atemlähmung
  • Muskelatrophie, Skelett-/Gelenksveränderungen
  • Wachstumsstörungen der betroffenen Extremität
  • Letalität. 4-15 %
Immunität/Prophylaxe
  • langanhaltende Immunität, aber nur gegen einen Virustyp
  • aktive Schutzimpfung mit abgeschwächten Viren
Therapie
  • Allgemeinmaßnahmen: Behandlung der Symptome, Krankengymnastik, physikalische Therapie, orthopädische Hilfsmittel
  • Medikamentöse Therapie: Analgetika
  • Operative Therapie: evtl. Beatmung
Meldepflicht
  • Verdacht, Erkrankung, Tod (§§ 6/8 IfSG)
  • Namentliche Meldung (§§ 7/8 IfSG) des Erregernachweises
Bilder

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