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Morbus Koch

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Morbus Koch

Tuberkulose, „Schwindsucht“, Tb, Tbc sind weitere Bezeichnungen für den Morbus Koch. Beim Morbus Koch handelt sich um eine schwere Infektionskrankheit, die durch Bakterien ausgelöst wird. Meist tritt eine chronische Lungentuberkulose auf. Es können aber auch andere Organe außer der Lunge sind davon erkranken (Lymphknoten, Bronchien, Pleura, Knochen, Urogenitaltrakt, ZNS, Darm). An den betroffenen Organen treten Tuberkeln auf, und vielgestaltige Krankheitsbilder. Die Ansteckung und der Verlauf der Erkrankung hängt vor allem von der Anzahl und der Virulenz der Erreger und von der persönlichen Abwehrlage ab. Die Körperabwehr ist dabei recht schwach, da die äußere Zellwand der Bakterien nur schwach auf Antikörper ansprechbar. Das Immunsystem erkennt somit das Bakterium nur sehr schlecht.


Leitmerkmale:
Primär:  meist oft asymptomatisch
Sekundär: je nach befallenem Organ (meist Lunge), Husten, Tuberkeln, Nachtschweiß, Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust, uncharakteristische Grippesymptome
Definition Beim Morbus Koch handelt es sich vor allem um eine meldepflichtige Erkrankung mit Infektion der Lungen

Weitere Bezeichnungen
(Synonyme)
  • Tuberkulose
  • „Schwindsucht“
  • Tb, Tbc
Einteilungen
  • Primärtuberkulose: nach der Erstinfektion kommt es zu einem Befall der Organe durch inhalative Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch, nach 6 Wochen Primärkomplex (meist in der Lunge), mit regionaler Lymphknotenreaktion
  • Postprimäretuberkulose: meist Reaktivierung alter Herde (Wochen bis Jahrzehnte) bei Schwächung der Immunabwehr (hohes Alter, Alkoholismus, HIV, Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Leberzirrhose, Medikamente)
  • Miliar-Tuberkulose: hämotogene/lymphatische Streuung der Erreger über die Blut-/Lymphbahnen in alle Organe (aber auch bronchogene Streuung möglich)
  • latente tuberkulöse Infektion: Erstinfektion mit Abtötung der Erreger, doch Fortbestehen der Symptome
  • offene Tuberkulose: Keime in den Körpersekreten (Sputum/ Magensaft), hohe Ansteckungsgefahr
  • geschlossene Tuberkulose: Herde sind im Gewebe verkapselt (können aufbrechen), keine Bakterien in den Sekreten
Stadien
  • Stadium I (Primärstadium/Initialstadium):5-6 Wochen nach Infizierung vermehrt sich das Bakterium in der Lunge (Alveolen) und breitet sich als Primärkomplex auf die regionären Lymphknoten aus, von dort kann es über das Blut weiter sich ausbreiten (hämatogene Streuung)
  • Stadium II (subprimäres Stadium):ruhende Infektion, hämatogene Generalisation, Miliar-Tbc
  • Stadium III (postprimäres Stadium): isolierte Organ-Tbc, durch Reaktivierung alter Herde bei Abwehrschwäche
Pathogenese
  • Primärinfektion: die Alveolarmakrophagen nehmen die Erreger auf und lösen eine verzögerte (2-3 Wochen) Immunreaktion aus. Nach 6 Wochen bildet sich der Primäraffekt (ein Granulom aus Makrophagen, Langerhans-Riesenzellen, Lymphozyten), das die Bakterien einschließt. Greift die Infektion auf die Lymphknoten über kommt es zum Primärkomplex. Danach kapselt sich das Granulom durch Fibroblasten/Bindegewebe/ Kalkeinlagerungen ab, im deren Zentrum können die Bakterien über Jahre überleben
  • primäre Tuberkulose: ca. 6 Wochen nach Erstkontakt, Primärkomplexe, die Bakterien kapseln sich nicht ab, können sich lokal ausbreiten und es kommt zur primären Tuberkulose mit Streuung in andere Organe
  • postprimäre Tuberkulose: bei schon abgeheilter Primär-Tbc kann es bei wiederholter Immunschwäche zu einem 2. Ausbrechen der Tuberkulose (aus den Granulomen) kommen. Es werden Kavernen ausgebildet und durch lymphatische/hämatogene Streuung zur Organtuberkulose
Erreger
  • Mycobacterium tuberculosis (grammpositive säurefeste, aerobe, unbewegliche, langsam wachsende Stäbchenbakterien), Mycobacterium africanum, Mycobacterium bovis
Ausbreitung
  • weltweit, Begleiterkrankung bei AIDS
  • krankheitsgefährdet: AIDS, Diabetiker, Alkoholiker, Säuglinge, alte Menschen, Drogenabhängige
Ansteckung
  • Tröpfcheninfektion (meistens, Menschen mit offener Tbc): Husten, Niesen, Sprechen, vor allem in schlecht belüfteten Räumen/ Menschenansammlungen
  • Schmierinfektion (über verletzte Haut): Staub
  • Nahrungsmittel: Milch, Rind
  • Blut/Sekrete: verunreinigte Instrumente/Nadeln, Transfusionen, Transplantationen
  • Gebärmutter: interuterin, während der Geburt
  • Reaktivierung von Tbc-Herden im Körper durch: eine geschwächte Immunabwehr, hohes Alter, Alkoholismus, Mangelernährung, chronische Lungenerkrankungen
Kurzbeschreibung
  • kann die unterschiedlichsten Organe befallen
  • der Ausbruch der Krankheit hängt von der Abwehrlage des Menschen ab
  • in den Lungen bilden sich zuerst Primärkomplexe (Primärherd mit mehreren erkrankten Lymphknoten)
  • Makrophagen/Lymphozyten umschlingen sie und bilden Tuberkeln
  • zu 90 % heilt Primärkomplex ab, die Erreger bleiben in so genannten Tuberkeln zurück
  • evtl. spätere Verbreitung der Erreger (Abwehrschwäche) über die Bronchien, den Blut-/ Lymphweg
Inkubationszeit 4-6 Wochen

Ursachen
  • meist Tröpfcheninfektion des Mycobakteriums tuberculosis
  • selten: Infektion über Staub, Nahrungsmittel (Milch)
Risikofaktoren
  • chronische Lungenerkrankungen
  • chronische Niereninsuffizienz
  • Immunschwäche, Immundefekte
  • Diabetes mellitus
  • Lymphome
  • Alkohol-/Drogenabusus
  • Alter
Symptome
  • Primär-Tuberkulose:
    • meist symptomarm (oft monatelang, aber infektiös, Primärkomplex)  
    • evtl. grippale Symptome, Nachtschweiß (in den Morgenstunden), Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, subfebrile Temperaturen, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Thoraxschmerzen
    • bei schwerem Verlauf: Fieber, Husten mit Auswurf (gelblich), Pleuraerguss, Erythema nodosum (rotblaue schmerzhafte Flecken am Schienbein), verdickte Lymphknoten (Hals), Unwohlsein
  • subprimäre Tuberkulose:
    • Definition: die Erreger werden in der Phase der Primär-Tbc nicht genügend abgetötet oder die Herde nicht genügend abgekapselt, sie breiten sich in die Umgebung aus (Pleura, Bronchien, Lymphe, Blut)
    • Symptome: wie bei der Primärtuberkulose, dazu Organ-Symptome
    • Folge: es kommt entweder zum Organ- oder Miliar-Tbc
  • postprimäre Tuberkulose:
    • Definition: durch Reaktivierung der alten bereits „abgeheilten“ Primärherde
    • Atemsystem: chronischer Husten (anfangs trocken, später produktiv)
    • Allgemeinsymptome: Nachtschweiß, Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust, Leistungsabfall, Thoraxschmerzen
    • Beschwerden je nach befallen Organen
  • Organtuberkulose:
    • Lungenwurzel: Atemnot
    • Rippenfell (Pleuritis tuberculosa): Schmerzen beim Atmen, Atemnot
    • Darmtuberkulose: Durchfälle, Bauchschmerzen, Gewichtsverlust, Blut im Stuhl
    • Hauttuberkulose: flächige/rotbraune Hautveränderungen
    • Harnwege: Schmerzen beim Wasserlassen, Blut/Eiter im Urin
    • Geschlechtsorgane: Ausbleiben der Monatsblutung, schmerzhafte Nebenhoden, Unfruchtbarkeit
    • Knochen/Gelenke: geschwollene/schmerzende Gelenke
  • Miliar-Tuberkulose:
    • Definition: die Erreger gelangen über die Blut-/Lymphbahnen in alle Organe, bilden hirsegroße Tuberkeln: Lunge, Gehirn (Meningitis), Darm (Typhus ähnlich)
    • Allgemeinsymptome: Schwäche, Appetitlosigkeit, Fieber über 40 Grad C, Gewichtsverlust
    • je nach befallenen Organen: Peritonitis, Urogenitalbereich, Knochen (Rückenschmerzen), Gelenke, Gastrointestinalbereich, Leber, Gefäße
    • Pleura: atemabhängige Thoraxschmerzen, zunehmende Atemnot
    • Atemsystem: trockener Reizhusten, zunehmende Atemnot
    • Hirnhäute: Fieber, unaufhörliche Kopfschmerzen, Übelkeit, Schläfrigkeit, Stupor, Nackensteifigkeit, Hirnnervenausfälle
    • Urogenitalsystem: Zeichen einer chronischen Pyelonephritis, Leukozyturie
Diagnose Anamnese: Symptome, Familienanamnese, Sozialanamnese (Alkoholismus, Wohnverhältnisse, Reisen, evtl. Herkunftsland)
Körperliche Untersuchung: Infiltrationszeichen, Lymphknotenschwellungen
  • Auskultation: metallisch klingendeRasselgeräusche
  • Perkussion: tympanitischer Klopfschall
Labor: BSG erhöht, Leukozytose erhöht, Entzündungsparameter hoch, häufig Lymphozytose erhöht, Erregernachweis (Sputum, Magensaft, Liquor, Urin, Stuhl), Urinstatus
Apparative Diagnostik: Rö-Thorax (Ausbreitung der Tbc, Aufhellungen, Verschattungen, Lymphknotenvergrößerungen, Pleuraergüsse), Lungenbiopsie (Keimnachweis), broncho-alveoläre Lavage, Pleurapunktion, Lymphknotenbiopsie, evtl. Liquoruntersuchung
Tests: Tuberkulin-Test (intracutaner Nachweis der zellulären Immunität); Stempeltest (Tine-Test, i.c. Stempelinjektion mit hoher Fehlerquote)
Differentialdiagnose
  • Primär-Tuberkulose: Grippe, Pneumonie, Sarkoidose, malignes Lymphom
  • Postprimäre Tuberkulose: Bronchial-Karzinom, Pneumonie, Lungeninfarkt, chronische Bronchitis, Bronchiektasen
  • Atemsystem: Lungenentzündungen, Bronchiektasen, Lungenabszesse, Bronchialtumoren, Silikose
  • allgemein: Metastasen, maligne Lymphome, Sarkoidose, Vaskulitiden, andere Infektionskrankheiten, Mukoviszidose, Echinokokkuszyste
Komplikationen
  • Blutung (bis Blutsturz)
  • Lungenkaverne: Gefahr der Superinfektion, Blut in Sputum
  • Pneumonie
  • Pleuritis
  • Atelektasen
  • respiratorische Insuffizienz
Immunität/Prophylaxe
  • Aktive Impfung nur bei besonderer Gefährdung
  • Quarantäne
Therapie
  • Allgemeinmaßnahmen: frische Luft, Rauchverbot, Hustenmittel, körperliche Schonung, Isolierung bei offener Tbc
  • Medikamentöse Therapie: Tuberkulostatika (Kombinationsbehandlung), Glucokortikoide
  • Operative Therapie: evtl. bei Lungenkavernen
Meldepflicht
  • Erkrankung und Tod (§§ 6/8 IfSG)
  • Namentliche Meldung (§§ 7/8 IfSG) des Erregernachweises
  • Behandlungsverbot für Heilpraktiker (§ 24 IfSG)
  • Vorschriften für Gemeinschaftsunterkünfte (§§ 34 IfSG)
Prognose

90 % der Infektionen verlaufen ohne Symptome, bei Erkrankung kommt es durch die Therapie zur 97% zur Ausheilung.