Krankheiten
Nierenstein

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Nierensteine (Nephrolithiasis)

Nephrolithiasis: Konkrementbildung in den ableitenden Harnwegen. Männer sind häufiger betroffen als Frauen, zu 70% handelt  es sich um Kalziumoxalat- bzw. Kalziumphosphatsteine.

Leitmerkmale: wellenförmige, krampfartig wiederkehrende, stärkste Schmerzen (Rücken/seitlicher Unterbauch), Mikro-/Makrohämaturie
Einteilung
  • Nierensteine: Nierengriess (kleine Steine, Nierenausgusssteine (füllen das Nierenbecken aus)
  • Harnleitersteine
  • Blasensteine
Arten
  • Kalziumhaltige Steine (70%) (Kalziumoxalat-/Kalziumphosphat-Steine): gelblich bis schwarz
  • Harnsäuresteine (Uratsteine 15 %): gelbbraun bis rotbraun, Gicht
  • Magnesium-Ammonium-Phosphatsteine (10%)
  • Infektsteine (Struvit-Carbonataparit-Steine) (5%)
  • Zystinsteine (selten): gelblich, hart
Pathogenese Aus dem Urin fallen Kristalle aus, die sich miteinander verbinden und zu Steinen werden. Dies geschieht umso leichter, je geringer der Abfluss ist. Die Steine können das Harnleiterlumen verengen, zum Rückstau des Harns und zu Koliken führen.

Risikofaktoren
  • wiederholte Nierenerkrankungen (Infektionen)
  • Harnstau (Abknickungen)
  • Nierenanomalien
  • erhöhter Flüssigkeitsverlust
  • geringe Trinkmenge
  • hohe Kochsalz-/ Proteinzufuhr
  • eiweißreiche Ernährung
  • Immobilisation
  • Alter
Physiologische Engen Hier befinden sich die meisten Steine:

  • Abgang aus dem Nierenbecken
  • Gefäßkreuzung des Vv. iliaca communes
  • Eintrittsstelle in die Blase
Ursachen
  • Allgemein: Senkniere, Harnleiterverengungen, Zystennieren
    • Kalziumsteine:
      • Störung des Kalziumstoffwechsels: Hyperparathyreoidismus, Hyperkalziurie, Immobilisation (Kalziumfreisetzung aus den Knochen), Knochenmetastasen
      • enterale Hyperabsorption von Oxalat: M. Crohn, Colitis ulzerosa, Leberzirrhose
      • Ernährung: kalziumreich, selten: oxalatreich (Rhabarber, Spinat, Tomaten)
      • Vitaminintoxikation: massive Zufuhr von Vitamin C, Vitamin-D-Hormon, Kalzium-Präparaten
      • alkalischer Urin: Bildung von Phosphat-Steinen (Löslichkeit von Phosphaten herabgesetzt, v.a. bei hohem Nitrit-Gehalt nach bakteriellen Infektionen), zu wenig Flüssigkeitsaufnahme
    • Harnsäure- (Urat-)Steine: Gicht, Überangebot an Nahrungspurinen (Fleisch), Alkoholbelastung, Zellzerfall bei Tumoren bzw. Zytostatika (Bildung von Harnsäurekristallen v.a. im sauren Milieu), Medikamente
    • Magnesium-Ammonium-Phosphatsteine: infektbedingte Alkalisierung des Harns führt zur Steinbildung, Bakterien wirken als Kristallisationskeime (verursachen keine Koliken)
    • Zystinsteine: bei erblichen Stoffwechselerkrankungen
Symptome Häufig symptomlos.

  • Leitsymptom: Nierenkolik
    • Schmerzen (ohne Vorzeichen): heftigste, anfallweise auftretend, wellenartig (schmerzfreie Intervalle), krampfartig, ausstrahlend je nach Lokalisation: v.a. in den Rücken (Lendenbereich), tief sitzende Steine auch bis zur Symphyse, Schamlippen/Hoden, Oberschenkelinnenfläche; Dauer: Minuten-Stunden; im akuten Anfall erfolgt meist ein Steinabgang
    • Allgemeinsymptome: Übelkeit, Erbrechen, Schüttelfrost, aber kein nach folgendes Fieber, Bewegungsdrang während der Kolik (Unruhe, Umhergehen, Treppensteigen bessert oft), Dysurie, Makrohämaturie, reflektorischer Subileus (Stuhl-/Windverhalt), Oberbauchschmerzen
  • Große Nierenbeckensteine machen meist nur einen leichten Dauerschmerz: führen zur Schrumpfniere, chronischen Nierenversagen
Diagnose Anamnese: Vorerkrankungen (Gicht), Trinkmenge, Steinleiden in Familie, wiederholte Harnwegsinfekte, Ernährung (viel Milchprodukte, Schokolade), Schmerzmuster
Körperliche Untersuchung: Schmerzen im Bereich von Harnblase und Nierenlager, tastbarer Tumor, Harnblase
Labor:
  • Urin: Hämaturie, Leukozytose, Bakterien, Kalzium, Harnsäure, Steine, pH-Wert, spezifisches Gewicht, 24 Stunden Sammelurin, Urinkultur
  • Blut: Blutbild, BSG↑, CRP↑, Kalzium↑, Harnsäure↑, Phosphat↑, Kreatinin↑, Elektrolyte, Gesamteiweiß, Parathormon
Apparative Diagnostik: Sonographie, Röntgen (Abdomenleeraufnahme), CT, Ausscheidungsurogramm

Differentialdiagnose
  • renal: Niereninfarkt, Nierentumoren/- metastasen, Nierenvenenthrombose
  • enteral: Gallenkoliken, Appendizitis, akutes Abdomen, Divertikulitis, Ileus, Pankreatitis
  • gynäkologisch: stielgedrehte Ovarialzyste, Extrauterinschwangerschaft, Adnexitis
  • nerval: vertebrales LWS-Syndrom
  • Gicht
Komplikationen Paralytischer Ileus, akutes Abdomen (Bauchdeckenspannung), Schock,  Harnwegsinfekte, Sepsis, Harnstauungsniere, Stenosen, Niereninsuffizienz, Schrumpfniere

Therapie
  • Allgemeinmaßnahmen: körperliche Bewegung, Hüpfen, Treppensteigen, Wärmeanwendungen (heiß-feucht, Heublumensack, Fußbäder, heiße Vollbäder)
  • Ernährungstherapie: große Trinkmenge, eiweißarme Kost, Purin meiden (Fleisch, Geflügel), wenig Salz, Gemüse, Obst, Vitamin B6, Magnesium, Kalzium
  • Naturheilkundliche Therapie: Aderlass, Akupunktur, Bachblüten, Eigenbluttherapie, Homöopathie, Neuraltherapie, Phytotherapie (Goldrute, Birke, Petersilie, Pestwurz, Khella), Schüssler Salze
  • Medikamentöse Therapie: Analgetika, Spasmolytika, Infusionen
  • Operative Therapie: Zertrümmerung (ESWL), Entfernung (Schlingenextraktion, ureterorenoskopische Steinentfernung)
Prognose Rezidivhäufigkeit bei 50-70 %

Prophylaxe
  • Allgemeinmaßnahmen: Grundleiden behandeln, reichliche Flüssigkeitszufuhr
  • Ernährung: eiweißarme Kost, wenig Salz, Gemüse/Früchte
    • bei kalziumhaltigen Steinen: Milch, Milchprodukte meiden (kein Spinat, Kakao)
    • bei Kalziumoxalat-Steinen: schwarzen Tee, Kakao, Schokolade, Spinat, Erdnüsse, Rhabarber, Rote Beete, Petersilie, Haferflocken, Reis, Kartoffeln meiden (aber viel trinken: alkalische Getränke, Gemüse, Salat, Obst)
    • bei harnsäurehaltigen und Zystin-Steinen: Einschränkung von Fleisch und Fisch, vegetarische Kost, alkalische Getränke (Mineralwasser, verdünnter Orangensaft)
  • ausreichend Bewegung, Vermeidung von Übergewicht
  • Ansäuerung oder Alkalisierung des Urins (pH-Wert optimieren)
  • konsequente Behandlung von Harnwegsinfekten

 

Notfall

Nierensteinkolik:

  • Anruf: Notarzt
  • Allgemeinmaßnahmen: Patienten beruhigen, beengte Kleidung entfernen, Patient zudecken
  • Lagerung: wie sie der Patient toleriert, bei Bewusstlosigkeit stabile Seitenlage
  • Vitalzeichenkontrolle: engmaschig
  • Reanimation: wenn nötig
  • Zusatzmaßnahmen: Sauerstoffgabe, i.v.- Zugang

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