Krankheiten
Schmerzsyndrom

 Zurück zur alphabetischen Auswahl

Schmerzsyndrom

Oberbegriff für alle chronischen (mehr als 6 Monate) andauernden Schmerzen; der Schmerz hat die Leit-/Warnfunktion verloren und wurde zum selbstständigem Krankheitsbild mit psychopathologischen Veränderungen. Im Mittelpunkt des Denkens/Verhaltens steht nun der Schmerz; Schmerzen werden individuell verschieden empfunden und durch unbewusste innere Konflikte beeinflusst.

Leitmerkmale: je nach Schmerzort und -art
Einteilung
  • akuter Schmerz: zeitlich begrenzt, lokalisierbar, mit vegetativen Reaktionen (Puls-/Blutdruckerhöhung, Muskelverspannung), Auslöser äußere/innere Prozesse (Verletzungen, Entzündungen, Tumoren)
  • chronischer Schmerz: längere Dauer, weniger scharf umschrieben, Auslöser weniger bekannt, körperlich/seelische/soziale Probleme
Arten
  • neuropathischer Schmerz: bei Schädigung/Durchtrennung von peripheren Nerven oder zentralnervöse Strukturen (der Informationsfluss ist gestört): Polyneuropathie, Trigeminusneuralgie, Herpes zoster, Karpaltunnelsyndrom, Bandscheibenvorfall, Phantomschmerzen, Sudeck-Syndrom
  • Nozizeptoren Schmerz: spezielle Nervenzellen reizen durch lokale Erregung die Schmerzempfindung weiter zum Gehirn: chronische Polyarthritis, Pankreatitis, Appendizitis, Zahn-/Wundschmerzen, Gallenkoliken, Gastritis
  • psychogener Schmerz: ohne organische Ursachen (Ausdruck psychischer Belastung): Migräne
  • myofaszielles Schmerzsyndrom: Schmerzen im Bereich von Muskeln/Muskelgruppen), ausgelöst durch bestimmte Triggerpunkte): Gesichts-/Rückenschmerzen, Fibromyalgie
Pathogenese Schmerzverarbeitung:
Der Schmerz versetzt uns in die Lage eine Störung im Organismus zu erkennen und darauf zu reagieren.
Schmerzen werden durch Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) in der Haut/ Muskeln/Gelenken/inneren Organen aufgenommen, weitergeleitet über A-d-Fasern (schnelle Übermittlung „Nadelstich“) und über C-Fasern (langsam, dumpfer/tiefer Schmerz) weitergeleitet zum und Rückenmark (Hinterhorn) und von dort über aufsteigende Bahnen an den Thalamus/Gehirnrinde. Chronische Schmerzen führen durch wiederholte Reizübertragung (Nervenbahnen) und Freisetzung von Neurotransmittern (Nervensynapsen) zur Erhöhung der Übertragungsstärke, wodurch es zur Überempfindlichkeit gegenüber Reizen (Schmerzgedächtnis) kommt: geringste Reize lösen somit schon Schmerzen aus, die dann von den Nerven weiter getragen werden.

Schmerzschwelle
  • die Wahrnehmung ist individuell verschieden (bei Manchen reicht schon ein kleiner Reiz)
  • Schmerzhemmsystem: durch Serotonin/Noradrenalin (um nicht jede Berührung als Schmerz zu sehen); hemmen Schmerzweiterleitung vom Rückenmark zum Gehirn
  • ständig erlebte Schmerzen erhöhen den CRH-Spiegel (Nebennierenrinde) und bringen eine erhöhte Angst-/Spannungsbereitschaft hervor (=> Depression, Verspannung der Muskulatur => weiterer Reiz auf die Nozirezeptoren => Erhöhung der Schmerzwahrnehmung)
  • psychische Konflikte werden oft zur Entlastung der Psyche auf die körperliche Ebene verschoben
Ursachen
  • lokal: Prellungen, Wunden, Neuralgien, Tumoren
  • Krämpfe: glatte Muskulatur (Magen, Darm, Gallenblase, Nieren, Gebärmutter),  Skelettmuskulatur (nächtliche Wadenkrämpfe), Gefäße
  • chronische Entzündungen: mit Knorpelabbau, Fehlbelastungen, Einlagerungen (Harnsäure)
  • funktionell: Kopf-/Rücken-/Gliederschmerzen, Rheuma, Tumoren
  • Psyche: Angststörungen, Depressionen, Familie (Lernprozesse mit Schmerzen umzugehen, belastende Erfahrungen, dysfunktionelle Verarbeitung), Stress, Wut, Enttäuschung, emotionale Ausnahmesituationen, Arbeitsplatzsituation, Krankheitsverarbeitung (Risiko: Ängste, Überforderung, Verlust von Personen, Depression)
  • Störfelder/Herde durch chronische Erkrankungen/Narben
Verarbeitungsstrategien
  • Vermeidungsverhalten: Niedergeschlagenheit, Bewegungsverarmung, körperliche Schonung, Schwächung der Muskulatur, Furcht, Angst
  • Durchhalteappelle: „stell dich nicht so an“, gereizte Stimmung, nonverbaler Ausdruck, Überaktivität, muskuläre Hyperaktivität
  • Durchhaltestrategien: fröhliche Stimmung, Verabredungen werden eingehalten, Überaktivität
  • wechselnde Be- /Entlastung: je nach Schmerzintensität, keine Chronifizierung
Risikofaktoren Für eine Chronifizierung:

  • anhaltende vegetative Verspannung
  • unzureichende analgetische Therapie
  • Schon-/Vermeidungsverhalten
  • Ängste/Depressionen
  • Gewalt-/Schmerzerfahrungen in der Kindheit
  • seelische/körperliche Misshandlung/Vernachlässigung
  • schmerzkranke Angehörige
  • Psyche: familiäre Konflikte, soziale Probleme im Umfeld (Beruf, Finanzen), Persönlichkeitsstörungen, Stress
  • ungünstige Bewältigungsstrategien
Symptome
  • Allgemeinsymptome: Depression, Vereinsamung, sozialer Rückzug, Aggressivität, Suizidgedanken, Familienkonflikte, Probleme am Arbeitsplatz, Schmerz steht im Mittelpunkt, Absinken der Leistungsfähigkeit, Ermüdung, Verlust des Selbstvertrauens, Selbstbeobachtung
  • neuropathischer Schmerz: brennende, elektrisierende, einschießende Schmerzen, Ödeme, Schwitzen, Bewegungseinschränkung
  • Nozizeptorenschmerz: gut lokalisierbar, heller Oberflächenschmerz, bei inneren Organen schlecht lokalisierbar, vegetative Begleitsymptome
  • psychogener Schmerz: nicht klar definierbar, ändern sich nicht in Ruhe/unter Belastung/Analgetika
  • myofaszielles Schmerzsyndrom: Schmerzen bei Druck auf den Triggerpunkt
Diagnose Anamnese: Schmerzen (Charakter, Lokalisation, Beginn, Häufigkeit), Traumen, Tumoren, Missempfindungen, neurologische Ausfälle, Psyche
Apparative Diagnostik: Röntgen, CT, EEG, neurologische/orthopädische Untersuchungen (Nervenleitgeschwindigkeit, sympathischer Hautreflex, Elektromyopathie, somatosensibel/magnetisch evozierte Potentiale)

Therapie:
  • Allgemeinmaßnahmen: Lymphdrainage, Bewegungsübungen, Entspannungsübungen, Schmerztagebuch, Verhaltenstherapie, Psychotherapie, physikalische Therapie
  • Naturheilkundliche Therapie: Akupunktur, Akupressur, Bachblüten, Eigenbluttherapie, Fußreflexzonentherapie, Homöopathie, Manuelle Therapie, Neuraltherapie, Phytotherapie, Schröpfen, Schüssler Salze
  • Allgemeinmaßnahmen: Hirnödemtherapie (Cortison), antiepileptische Therapie
  • Medikamentöse Therapie: Analgetika, Antikonvulsiva
  • Operative Therapie: TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation)
Prognose Je früher die Therapie begonnen wird, desto besser der Erfolg.

gg